Ein Round Table mit Tanja Gönner, Jörg Kukies, Ulrike Malmendier und Steffen Mau.
Tanja Gönner [TG] ist Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Zuvor war sie Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und hatte mehrere Ministerien in Baden-Württemberg inne. Gönner setzt sich für eine starke Industriepolitik und soziale Marktwirtschaft ein und betont die Wichtigkeit von Wettbewerb und Sozialpartnerschaft für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung.
Ulrike Malmendier [UM] ist Professorin für Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Verhaltensökonomie an der University of California, Berkeley. Malmendier betont die Bedeutung von Anreizen und Verhaltensmustern in der Wirtschaftspolitik. 2022 wurde sie von der Bundesregierung in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen.
Jörg Kukies [JK] ist Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Davor war er unter anderem Co-CEO von Goldman Sachs Deutschland und Österreich. Kukies ist ein international beachteter Experte für Finanzmarktregulierung. Er unterstützt eine starke staatliche Rolle in der Finanzmarktaufsicht und betont die Bedeutung von Wettbewerb und Transparenz.
Steffen Mau [SM] ist Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor war er Professor für Soziologie an der Universität Bremen. Mau widmet sich unter anderem den Themen Ungleichheit und soziale Spaltung. Zu seinen wichtigsten Publikationen zählen „Triggerpunkte – Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft“ (2023)“ und „Ungleich vereint – Warum der Osten anders bleibt“ (2024).
Wie siehst du / sehen Sie die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft im Wettstreit mit anderen politischen Systemen?
Gerade in Deutschland erscheint die soziale Marktwirtschaft als System, zu dem es eigentlich keine Alternativen gibt. In einer idealen Welt mag das so sein. In der Realität wird das Konzept, das Wohlstand und Gerechtigkeit, Leistung und Sicherheit besser vereint als alle anderen Wirtschaftsmodelle, jedoch von unterschiedlichen Seiten bedroht – und muss immer wieder neu verhandelt werden.
In guter Tradition bringen wir für den Schwerpunkt dieser Ausgabe verschiedene Positionen an einen runden Tisch, um den Status quo der sozialen Marktwirtschaft auszuloten. Wir zeichnen ihre Geschichte nach, geben unser Bestes, um Wirtschaft und Politik ins Gespräch zu bringen, und untersuchen den möglichen Einfluss von Migration auf die Resilienz unserer Demokratie. Denn eine soziale Marktwirtschaft ist nur mit einer wehrhaften Demokratie als Basis denkbar.
Auszüge aus unserer aktuellen Alumni-Umfrage, die sich mit dem Zustand der sozialen Marktwirtschaft auseinandersetzt, finden Sie weiter vorn im Heft, auf dieser Seite und am Ende des Schwerpunkts.
Bevor wir über die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft sprechen, ein Blick in ihre Vergangenheit. Welche Rolle spielte sie in der Geschichte der BRD, Herr Professor Mau?
SM Die soziale Marktwirtschaft war lange Zeit eine sehr erfolgreiche Befriedungsformel. Sie hatte maßgeblichen Anteil daran, dass große Teile der Bevölkerung das Gefühl hatten, a wachsenden Kuchen zu partizipieren. Das ging in der BRD parallel mit der Demokratieentwicklung. Diese wäre im Nachkriegsdeutschland nicht so erfolgreich gewesen, wenn der enorme Wirtschaftsboom nicht zu einem kollektiven Aufstiegsversprechen geführt hätte. Der Fahrstuhl ging nach oben. Das in der Soziologie dafür verwendete Stichwort war die „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“. Die Polaritäten nahmen ab, und es bildete sich eine breite, konsensuelle Mittelschicht aus, die im wahrsten Sinn des Wortes staatstragend war.
Vielleicht sollten wir in diesem Zusammenhang definieren, was soziale Marktwirtschaft eigentlich ist. Frau Professorin Malmendier, wie ist die Perspektive der Volkswirtschaftslehre auf die soziale Marktwirtschaft?
UM Mit dem Begriff der sozialen Marktwirtschaft würden Sie bei den meisten Ökonomen weltweit auf Fragezeichen in den Augen treffen. Intuitiv ist zwar allen klar, dass darunter eine Art Marktwirtschaft verstanden wird, bei der die Gewinnmaximierung nicht allein im Vordergrund steht, sondern auch die Wohlfahrt der Arbeitenden. Wenn man aber genauer hinsieht, wird es kompliziert.
Warum?
UM Viele der Gründe für soziale Marktwirtschaft kann man von einer neoklassischen, also selbst rein kapitalistischen, Perspektive aus erklären. Wenn man eine mittelfristige Sichtweise einnimmt, sieht man, dass etwa die Anbindung der Arbeitnehmer an ein Unternehmen eindeutige Vorteile hat – und das auch sehr klar in Bezug auf die Profitmaximierung. Wenn das Personal länger im Unternehmen bleibt, kann dieses sogenanntes Firm-specific Capital aufbauen. Dazu kommen dann noch langfristigere Effekte. Unternehmen profitieren von einer stabilen Umgebung. Gerade in Deutschland gibt es da eine lange Tradition, wenn wir an Unternehmen wie Volkswagen denken, die ganze Ortschaften rund um ihre Werke gebaut haben.
TG Ich war an Studien beteiligt, die hießen „Deutschland in den Augen der Welt“. Und bei denen kam heraus, dass die in Deutschland übliche Konsensorientierung zwischen Arbeitgeber und -nehmer als explizite Stärke des deutschen Standorts gesehen wird, weil auf diese Weise Ruhe und Stetigkeit garantiert werden. Ein direktes Resultat davon ist die Stärke des Mittelstandes, dessen Grundgedanke ja ist: Wenn es den Arbeitnehmern gut geht, geht es auch den Arbeitgebern gut – und umgekehrt.
Welche Konzepte zählen zur sozialen Marktwirtschaft?
JK Ein Kernelement der sozialen Marktwirtschaft ist der freie und faire Wettbewerb. Dieser verhindert Vermachtung in der Wirtschaft und bietet Freiraum für unternehmerische Initiative. Das wiederum ist eine wichtige Grundlage dafür, dass der Wohlstand bei möglichst allen Menschen ankommt.
UM Rein ökonomisch gesehen kann man alle Arten von Leistungen oder Angeboten an die Arbeitnehmer, die über das gesetzlich Fixierte hinausgehen, der sozialen Marktwirtschaft zurechnen. Es wäre ein falsches Framing, diese Angebote automatisch einer wie auch immer gearteten Großherzigkeit der Unternehmer zuzuschreiben. Studien zeigen immer wieder, dass Arbeitnehmer auf besonders großzügige Leistungen des Arbeitgebers in der Regel mit überdurchschnittlicher Leistung reagieren. Das Prinzip nennt sich positive Reziprozität. Dieser nutzenorientierte Aspekt ist meines Erachtens aber nur eine Seite der sozialen Marktwirtschaft.
UM Die Verhaltensökonomie bietet interessante neue Sichtweisen auf die Einstellungs- und Entlassungspolitik. In Krisenzeiten, und die sind ja im Augenblick eher die Regel, passiert es schnell, dass Margen runtergehen und ein Unternehmen in eine Überbeschäftigung kommt. Dann stellt sich die Frage, wie schnell entlassen wird. Wenn hier die Entscheidung darauf hinausläuft, dass man etwas weniger Profit in diesem Sektor macht, dafür aber Massenentlassungen verhindert, würde ich das auch unter sozialer Marktwirtschaft subsumieren. Und dazu neigen viele Firmenlenker, vor allem wenn sie ihrem Unternehmen schon länger vorstehen. Dann tut es ihnen psychisch und physisch weh, größere Entlassungen vornehmen zu müssen. Wir führten Studien nach der Finanzkrise durch und hatten es oft mit Firmenlenkern zu tun, die in dieser Zeit rein optisch um Jahre gealtert sind. Und es stellte sich heraus, dass sich die Gesundheit der Firmenchefs dann besonders verschlechtert hat, wenn sie Personal entlassen mussten. Das nahm sie emotional so mit, dass das unmittelbar sichtbar wurde.
An Krisen ist unsere Gegenwart nicht arm. Herr Mau, welche Auswirkungen haben sie auf die soziale Marktwirtschaft?
SM Es gibt zum Beispiel wachsende Veränderungen in der Einkommensverteilung. In Deutschland ist diese schwächer als in vergleichbaren Ländern, was mit dem starken Sozialstaat hierzulande zu tun hat. Die Tendenz aber ist klar: Wir haben im Vergleich zu den 1980ern eine kleinere Einkommensmittelschicht. Wir hatten über eine längere Zeit wenig Wachstum im unteren Bereich der Einkommen, und vor allem haben wir davongaloppierende Spitzeneinkommen. Daraus erwächst eine größer werdende Skepsis in Bezug auf die Idee einer Leistungsgesellschaft. Junge Menschen haben zunehmend Zweifel daran, durch bloße Leistung aufzusteigen – so wie das noch vor 20 oder 30 Jahren möglich war.
SM Deutschland ist heute eine extrem mobilitätsblockierte Gesellschaft. Im OECD-Vergleich ist die Möglichkeit für Aufstieg aus Nicht-Akademiker-Haushalten sehr gering. Die Menschen haben zunehmend weniger Motivation, in eigene Bildung und Karrieren zu investieren, weil sie davon ausgehen, dass das kaum Erträge bringt. Der Eintritt in die wirklichen Eliten ist nochmal doppelt schwer, ganz viele Statuspositionen werden quasi nur vererbt. Das ist ein immenser Schaden für die Idee der sozialen Marktwirtschaft. Deren Versprechen, Aufstieg durch Leistung, ist brüchig geworden.
Welche Gründe gibt es dafür?
SM Als Mobilitätsforscher muss man die größeren Linien betrachten. Die Wohlstandsverteilung der Gesellschaft gleicht heute zunehmend einer Zwiebel, mit Verholzungen im oberen und unteren Bereich. Mobilität findet eigentlich nur als sogenannte Strukturmobilität statt: Für jeden Aufstieg muss es einen Abstieg geben. Die Mittelschicht versucht also, die Leiter des Aufstiegs nach oben zu ziehen. Dazu trägt auch unser Bildungssystem bei, das es nicht schafft, soziale Herkunft auszugleichen. Da ist Deutschland auch deutlich schlechter als andere Länder.
TG Ich frage mich, wieso das einmal anders war. Im Westdeutschland der 1970er- und 80er-Jahre ist Mobilität gelungen. Warum ging es nicht mehr so weiter?
SM Ja, das hatte natürlich etwas mit der damaligen enormen Öffnung des Bildungssystems zu tun. In den 1960er-Jahren war die Situation noch die, dass nur zehn Prozent eines Jahrgangs Abitur gemacht haben. Das ging dann in den nächsten Jahrzehnten auf 40, fast 50 Prozent hoch. Dazu kam das starke Abschmelzen ländlicher Berufe mit geringem Einkommen in dieser Zeit. Die Menschen gingen dann in die Stadt, fanden lukrativere Anstellungen, und ihre Kinder machten Abitur. Zugleich wurde der Industriesektor zunehmend mechanisiert, die einfachen, gering bezahlten Tätigkeiten fielen auch hier weg. Da gibt es dann plötzlich die sehr verbreitete Figur des katholischen Arbeitermädchens vom Lande, das es als Erste in ihrer Familie auf die Universität schafft.
TG Mein Werdegang entspricht übrigens voll diesem Typus, das nur am Rande.
SM Heute haben wir einen anderen sozialen Typus, der im Fokus steht. Es ist der migrantische Junge aus der Stadt, der keine Aufstiegsmöglichkeiten findet. Ein anderer Punkt: Es entstand ein neuer Niedriglohnsektor im Dienstleistungsgewerbe. Die Rahmenbedingungen der sozialen Marktwirtschaft – ein fester Arbeitsplatz, Sozialpartnerschaft, gewerkschaftliche Aushandlungsprozesse – gibt es bei Fahrradkurieren kaum mehr.
Aber was bedeutet das nun konkret? Ist die soziale Marktwirtschaft ein Auslaufmodell, weil sie nur unter den Bedingungen der sozialstrukturellen Umwälzungen des letzten Jahrhunderts und des damit korrelierenden Wirtschaftswachstums funktionierte?
JK Sie kann weiter funktionieren, wenn wir nicht vergessen, auf die Innovationskraft der Wirtschaft zu setzen. Deutschland und die EU sind weiterhin international wettbewerbsfähig. Das heißt jedoch nicht, dass nicht noch etwas zu tun wäre, um besser zu werden und dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben, vor allem angesichts der immensen Herausforderung durch die Transformation hin zur Klimaneutralität sowie die geopolitischen Veränderungen. Die Stärkung des langfristigen Wachstumspotenzials in einer klimaneutralen Wirtschaft verläuft entlang dreier Säulen.
JK Die Energiewende inklusive des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien und der Netze und des Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft. Zweitens das Lösen von „Wachstumsbremsen“: Die Bundesregierung legt einen besonderen Fokus auf den Abbau bürokratischer Lasten, die Beschleunigung von Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsverfahren und die Digitalisierung der Verwaltung. Und drittens die Stärkung des Arbeitskräftepotenzials angesichts des demografischen Wandels: Durch flexiblere Arbeitsmöglichkeiten für Ältere; den Ausbau und die Qualitätssteigerung der Kindertagesbetreuung und stärkere Erwerbsanreize für Zweitverdienende.
TG Es ist völlig klar: Wir brauchen ein Auffangnetz für diejenigen, die durch den Markt rutschen – in unserem Kontext sind das diejenigen, die nicht von den Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft profitieren. Klar ist aber auch, dass der Staat sich diese Maßnahmen leisten können muss. Und weil das unter den augenblicklichen Bedingungen zunehmend schwierig ist, gibt es die vielen Diskussionen rund um das Bürgergeld. So kann man etwa fragen, ob dem Grundsatz des Sozialstaates, dass er fördert und fordert, Genüge geleistet wird. Ob etwa gerade die Zuverdienstmöglichkeiten wirklich so ausgestaltet sind, dass es sich für die einzelnen Bürgergeldbezieher lohnt, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.
UM Rein formal ähnelt das Bürgergeld der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Diese Idee wurde interessanterweise von der Wirtschaftswissenschaft am Beispiel von Entwicklungsländern entwickelt. Entwicklungsgelder wurden früher oft an strenge Bedingungen gebunden, bis man irgendwann darauf kam, dass die Menschen oft am besten wissen, wie sie das Geld sinnvoll einsetzen sollen. Das war ein großer ökonomischer Aha-Effekt. Als das Konzept dann aber in entwickelte Länder übertragen wurde, zeigte sich, dass die klassische Ökonomie doch auch ein bisschen recht hat.
UM Für jeden bedingungslos zur Verfügung gestellten Euro wird dann doch weniger Arbeit vom Individuum geleistet – die Schätzungen gehen bis zu 50 Prozent, die dann in der Bruttowertschöpfung fehlen. Den Knackpunkt beschreibt der schöne deutsche Begriff „marginale Transfer-Entzugsrate“. Das heißt: Wenn man jemandem Geld gibt, wie stellt man dann sicher, dass es noch genügend Anreize gibt, in den Arbeitsmarkt einzutreten? Da bin ich ganz bei Frau Gönner: Sehr viel wichtiger als das bloße Niveau des Bürgergelds ist die zentrale Frage, wie sehr ein möglicher Zuverdienst zu einem Nachteil wird. Ist das der Fall, werden sich Menschen gegen Arbeit entscheiden. Dass in Zeiten knapper Haushalte nur über die Höhe des Bürgergeldes gestritten wird statt über die marginalen Anreize, die für die Menschen Arbeit lohnenswert sein lassen, ist ökonomisch eine Farce.
SM Wir haben eben einen Sozialstaat, der nicht aus einem Guss ist. Er ist wie ein Haus, an das immer wieder angebaut wurde, und wir wissen, dass diese Gebäude nicht sonderlich funktional sind. Ich war mal in einer Kommission zur Evaluation aller ehe- und familienpolitischen Leistungen. Das waren über 50 Einzelleistungen, und da haben sogar wir Experten nicht mehr durchgeblickt – die sich in ihrer Zielsetzung sogar oft noch widersprochen haben. Wenn wir nun sagen, wir haben einen demografischen Wandel und einen Fachkräftemangel und möchten möglichst viel Arbeitsanreize setzen, dann müssen wir Bereiche schaffen, in denen der Bezug eines Transfereinkommens möglich ist, aber auch Zuverdienstmöglichkeiten. Diese Übergangszonen elegant zu gestalten, ist viel wichtiger als die Grundsatzdebatte, ob das Bürgergeld zu hoch ist.
TG Hier stimme ich voll zu. Um in Herrn Maus Bild des Sozialstaats als Haus zu bleiben: Für die Zukunftsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft brauchen wir weniger Barock und mehr Bauhaus in Sachen Sozialstaat. Ein weiterer Punkt: Wir sind – vielleicht hängt das damit zusammen, dass wir eine alternde Gesellschaft sind – in vielen technologischen Entwicklungen nicht mehr gerade Frontrunner. Das hat auch Vorteile, weil Risiken minimiert werden, wenn man auf Innovationen setzt, die sich schon durchgesetzt haben. Aber dadurch vergeben wir zahlreiche Möglichkeiten und schwächen uns selbst, da Innovation eine der Kernkompetenzen deutscher Unternehmen ist.
Frage an den Rest der Runde: Mit welchen Maßnahmen ist die soziale Marktwirtschaft zukunftsfähig?
JK Die soziale Marktwirtschaft ist kein starres, unabänderliches Gerüst, sondern ihr Ordnungsrahmen muss ständig angepasst werden. Das gilt zum Beispiel für die gewachsene Rolle der ökologischen Nachhaltigkeit, es gilt aber auch für klassische Themen wie das Wettbewerbsrecht, das wir in den letzten Jahren mehrfach angepasst haben, damit es den Herausforderungen durch große digitale Plattformen gewachsen ist, sowie die aktuelle Notwendigkeit, Bürokratie abzubauen und bei Planung und Genehmigungen erheblich schneller zu werden.
SM In der Mittelschicht haben wir heute oft die Situation, dass die Menschen das Gefühl haben, gegen eine abwärtsfahrende Rolltreppe zu laufen. Anstrengung bewirkt bestenfalls Statuserhalt. Einer der Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft ist aber ein meritokratisches Versprechen: Aufstieg durch Leistung ist möglich. Damit steht und fällt das Konzept.
UM Ich bin trotzdem ein bisschen optimistisch. In Deutschland haben wir derzeit eine umgekehrte Arbeitsmarktkrise: Das Arbeitsvolumen ist zu niedrig, und das hängt mit der Alterung der Gesellschaft zusammen. Dadurch ergibt sich aber vielleicht auch eine Chance. Arbeitgeber können es sich nicht mehr leisten, Bewerbungen ungelesen liegen zu lassen. Sie müssen sich um jede einzelne potenzielle Arbeitskraft bemühen. Genau dadurch könnte aber wieder mehr Mobilität auf dem Arbeitsmarkt stattfinden. Das wäre doch ein erfreulicher Effekt einer Krise.
The Crisis of Democratic Capitalism
Martin Wolf analysiert in seinem Buch, wie es zur Krise liberaler Gesellschaften kam. Der Chefkommentator für Wirtschaft bei der „Financial Times“ sieht nur eine Lösung: Das Streben nach Gemeinwohl muss zur Priorität werden, um letztlich die Demokratie vor autokratischen Verführungen zu retten.
Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik
Der Band bietet einen Überblick über die Freiburger Schule des Ordoliberalismus anhand ausführlich erläuterter Originaltexte. Die Texte sind zwischen 1936 und 2001 erschienen und geben die zentralen Inhalte und Positionen dieser Tra- dition wieder. Ein hervorragender Einstieg in die Thematik.
75 Jahre Soziale Marktwirtschaft in 7,5 Kapiteln
Die renommierten Ökonomen Nils Goldschmidt und Stefan Kolev blicken auf die Geschichte der sozialen Marktwirtschaft zurück. Sie stellen die grundlegenden Merkmale und Details des Wirtschaftsmodells vor und untersuchen, vor welchen Herausforderungen es derzeit steht.
Germany’s Social Market Economy: Origins and Evolution
In dem Sammelband werden die Theorien von Vordenkern (u. a. Wilhelm Röpke und Walter Eucken) diskutiert. Außerdem wird auf die Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg eingegangen und darauf, wo die grundlegenden Unterschiede zu anderen Wirtschaftsmodellen liegen.